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Autokraten sind schlecht beraten

Gewinnende Kommunikation statt Raketen

Der Kommunikationsexperte Norbert Sell zu weltpolitischen und privaten Konflikten

Ein Autokrat ist schlecht beraten, weil er Milliarden in das Militär steckten, gleichzeitig aber Ziele hat, die er für sein Land für wichtig erachtet. Da er aus einer geheimdienstlichen Tätigkeit kommt, ist er eher ein Stratege und lässt sich auch hauptsächlich von geheimdienstlichen Beratern umgeben, ebenso auch von strategischen Militärexperten.

Meine Meinung ist allerdings, dass er mit gleichem Budget im Rahmen einer gewinnenden Kommunikation, wie ich es nenne, viel mehr erreichen könnte.

Keine klugen Berater an der Seite

Aber anscheinend hat er weder Psychologen, Mediatoren noch Kommunikationsexperten an seiner Seite, die ihm die Möglichkeiten anderer Vorgehensweisen erklären können. Jetzt scheint mir persönlich allerdings der Eindruck, dass es sich bei unserem gemeinten Autokraten um einen stark ausgeprägten Narzissten handelt, der das meiste, was in der Welt passiert, wirklich auf seine Person bezieht und entsprechend persönlich verletzt reagiert.

Wenn er davon spricht, dass es um die Sicherheit für sein Land geht, dann ist genau das Gegenteil der Fall, was er hier jetzt derzeit erschafft. Wenn jemand weniger Nato wollte, dann erreicht er so das Gegenteil. Als Narzisst ist es für ihn persönlich ein Gewinn, dass er in der ganzen Welt Hauptgesprächsthema ist.

Private Kriege

Im privaten Bereich funktioniert das systematisch genau so gut. Es wird Relevanz erreicht. Es ist negative Relevanz, aber ein Narzisst weiß  oft nicht, wie er im Endstadium der Reife seiner narzisstischen Ausprägung positive Relevanz erreichen kann. Dann will er nur noch alle in den gemeinsamen Untergang mitreißen:

"Hab ich kein gutes Leben, sollst Du auch keins haben."

Mit Gewalt kann man natürlich einiges erreichen. Man kann sehr viel gezielt zerstören und dem Anderen zeigen, wie gewaltig die eigene negative Energie ist. Das bindet im Nachhinein natürlich seine Brüdervölker nicht mehr an ihn, sondern es schafft eine riesige Aversion gegen einen solchen Diktator.

Ich hab mich lange Zeit gefragt, wie Kriege entstehen und habe über Jahrzehnte menschliches Verhalten sowohl in der weltpolitischen Situation als auch in privaten Beziehungen studiert.

Fehlende Kommunikation

Basis fast aller Kriege scheint mir im Kern eine fehlende, gute und ausgewogene Kommunikation zu sein.

Große Familienkonflikte aber auch andere gesellschaftliche Konflikte beinhalten häufig eine manipulierende, ungenaue oder teilweise polemische und sachlich irrelevante Kommunikation.

Die Bereinigung eines Konfliktes ist nicht das Ziel

Es wird nicht miteinander gesprochen, es wird gegeneinander kommuniziert, weil das Ziel dieser Kommunikation gar nicht die Bereinigung des Konfliktes ist, sondern eine Bestätigung, warum dieser Konflikt stattfinden muss.

Krieg ist der Wille zum Konflikt

Krieg ist also mit einem Willen zum Konflikt verbunden und man sucht quasi förmlich, nachdem man zuerst das Ziel formuliert hat, nach einem relativ simplen und in der Regel selbst konstruierten bestätigenden Grund. Der Streitauslöser verlagert also die Verantwortung auf die Person oder sogar ein ganzes Volk, mit dem der Streit geführt werden soll.

Erst Krieg, dann Begründungen

So wundern wir uns sicher häufig darüber, dass die Begründungen für einen beginnenden Krieg, für uns selbst objektiv betrachtet, teilweise haarsträubend klingen. Aber das ist nur der Beweis dafür, dass zuerst die Entscheidung fällt Krieg führen zu wollen und anschließend der passende Grund zurechtgelegt wird.

Gleiches Muster in privaten Beziehungen

Genau dieses Muster finden wir auch in privaten Beziehung oder auch in intrafamiliären Systemen. Zuerst wird also beschlossen, wer der Schuldige sein soll und anschließend wird die Begründung und das daraus entstehende Handeln abgeleitet.

Wäre ich Berater eines kriegerischen Autokraten, würde ich für gesetzte Ziele mit einer gewinnenden Kommunikation arbeiten. Vielleicht würde ich aber auch die Ziele nicht unterstützen wollen.

Zerstörungen sind keine überzeugenden Argumente, insbesondere wenn später ein gutes Verhältnis aufrecht erhalten werden soll. Unterdrückung führt stets später zu heftigen Explosionen.

Psychologische Kriegsführung
ist körperliche Gewalt

Was ich an unserer gesamten Gesellschaft allerdings auch noch als sehr kritisch ansehe ist, dass psychologische Kriegsführung, Unterdrückung und alles was zwar gewalttätig aber nicht physischer Natur ist, zumeist weder offiziell bemerkt noch geahndet wird. Wehrt sich aber jemand in aller Öffentlichkeit plötzlich gegen subtile indirekte missbräuchliche Gewalt jeglicher Form, dann ist diese Person sofort selbst im Fokus der ganzen Welt. Jemand der mit einer direkten gewalttätigen Reaktion auftritt wird überall sofort geächtet.

Wil Smith mit seiner Aktion bei den Oscars 2022 ist aktuelles Beispiel. Klar, ich muss das jetzt natürlich auch sofort in diesem Blog deutlich sagen, bin auch ich gegen körperliche Gewaltausübung.

Wenn ich mir aber das körperliche Leid vieler Menschen anschaue, die auf nicht körperliche Gewalt keine Reaktionsmöglichkeit finden, dann finde ich teilweise eine körperliche Reaktion ehrlicher und direkter.

Psychische Gewalt in unserem System nicht als Gewalt deklariert

Da unsere Gesellschaft physische Gewalt aber sofort ächtet, bin auch ich natürlich darin geübt, gegen offensichtlich missbräuchliche Handlungen und psychische seelische Gewalt mit sehr raffinierten Gegenreaktionen zu agieren. iese sind allerdings, weil es sich um eine Form von Krieg handelt, genauso zerstörerisch.

Ich habe jahrelang Schach gespielt und die Strategie weit vorausschauender Schritte erlernt. Weil ich weit vorausschauend denken und Dinge erfassen kann, habe ich teilweise im Schachklub bis zu 1 Stunde vor einem Zug gesessen und alles durchgespielt.

Handelt man vorschnell kann es sehr schnell passieren, dass man durch diese Unachtsamkeit in einem solchen Spiel in eine nachteilige Position gerät.

Und nun zurück zum kriegerischen Handeln. Ich würde jedem raten, die eigene Situation zu betrachten. Ich empfehle nicht darüber nachzudenken, wie kann ich dem anderen Schaden zufügen, sondern wie kann ich mein Gegenüber für eine Lösung gewinnen, die sowohl für ihn als auch für mich Vorteile bringt.

Und die wichtigste Frage: Was kann dazu beitragen den Konflikt zu lösen. Eine rein zerstörerische Strategie führt tatsächlich dazu, dass man als Streitauslöser selber in diese schlechte negative Schwingungen gerät und im Endeffekt, nicht direkt sichtbar aber langsam und stetig, spürbare und sichtbare Folgen für sich selber davon trägt.

Um bei unserem Beispiel zu bleiben: Wenn ich in der Position von unserem Autokraten die Ukraine für ein bestimmtes Ziel gewinnen wollte, dann würde ich Milliardenbeträge in die Hände nehmen, um dort eine positive Stimmung für mich als Präsident erreichen.

Es kann sein, dass ich in ärmlichen Gegenden durch besonderes Engagement eine besonders schöne Infrastruktur aufbaue. Es kann sein, dass ich als „Sponsor“ für die Erhaltung von besonders imposanten Gebäuden beitrage. Es kann sein, dass ich ein Zuschuss-Programm ins Leben rufe, um Menschen die Möglichkeit zu geben eine eigene Wohnung, ein eigenes Haus, einen eigenen Garten zu bekommen.

Ich kann ein Programm ins Leben gerufen, dass die Lebensunterhaltskosten der Menschen vor Ort unterstützt. Ich kann Kultur und vieles mehr anbieten. Auch ist es möglich, eventuell durch eine intensive Markenbindung an russische Produkte, die vielleicht besonders schön oder gut entwickelt sind, eine freundliche Partnerschaft mit meinem Partner-Land erreichen. Insbesondere ist es ungünstig, wenn in dem Land, das ich kriegerisch angreife, ganz viele Menschen wohnen, die ausgerechnet russischen Ursprungs sind oder auch in Russland selbst Verwandte haben. Ich verliere dabei nicht nur die Zustimmung des Volkes, das ich angreife, sondern auch die Zustimmung der Menschen, die eigentlich auf meiner Seite stehen.

Negative intrafamiliäre Systeme

Wenn man Konflikte nicht lösen kann, dann muss man ggf. den Aggressor dort angreifen, wo er selbst schwach ist oder gefährdet werden kann. Genauso ist es wieder im Privaten und auch bis hinein in intrafamiliäre Systeme. Bricht man einen Streit vom Zaun oder verhält man sich unfair, respektlos und übergriffig, verliert man jegliche Unterstützung der angegriffenen Person, die vielleicht bis dahin sogar unterstützend eingestellt war. Die Angriffsfläche bei Narzissten ist deren mühselig aufgebautes Image, dass nicht dem verdeckten Handeln entspricht.

Alles funktioniert im Großen wie im Kleinen. Hat man als Aggressor also aufgrund der eigenen Streitwilligkeit  sein Gegenüber nun mühselig negativ umgepolt, richtet sich diese negative Energie ab diesem Zeitpunkt komplett gegen einen selbst. 

Der Angreifer stößt auf Widerstand, ja er wird nun sogar aktiv selbst angegriffen. Erreicht hat man am Schluss neue Fronten, noch mehr Probleme und das eigene Leben wird nicht schöner, sondern es wird noch schwieriger.

Wie man am Beispiel von beschriebenen Präsidenten gut sehen kann und wie es dann auch im Privaten Bereich gilt, findet durch eine solche aggressive Vorgehensweise im Endeffekt die eigene Demontage statt.

Der Angegriffene muss anschließend nicht mehr viel tun, um die passiv teilnehmende Welt für sich zu gewinnen. Der gesellschaftliche Rückhalt des Angreifenden schwindet. Nicht unbedingt gewinnt man dabei vor einem Gericht, sondern auf einem gut ausgewählten Nebenschauplatz.